Beim nachehelichen Unterhalt gilt der Grundsatz der Eigenverantwortung: jeder Ehegatte ist nach der Scheidung für seinen Unterhalt selbst verantwortlich:
§ 1569 BGB
Grundsatz der Eigenverantwortung
Nach der Scheidung obliegt es jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Ist er dazu außerstande, hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt nur nach den folgenden Vorschriften.
Daneben steht der Grundsatz der nachwirkenden Mitverantwortung des wirtschaftlich stärkeren Ehegatten für den anderen. Nachehelicher Unterhalt kann aber nur noch verlangt werden, soweit er in den Unterhaltstatbeständen der §§ 1570 -1576 BGB normiert ist:
1. § 1570: Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes
§ 1570 Abs.1, S.1 BGB gewährt in den ersten drei Lebensjahren des Kindes einen "Basisunterhalt" für die Pflege und Erziehung des Kindes. Die Vorschrift hat ihren Grund nicht in der Ehe, sondern ist Ausdruck der gemeinsamen Elternverantwortlichkeit und sichert Mittelbar den Anspruch des Kindes auf Betreuung trotz Trennung der Eltern.
§ 1570 Abs. 1, S. 2, 3 BGB sieht noch eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs über die ersten drei Lebensjahre des Kindes hinaus aus kindbezogenen Gründen abhängig vom Umfang der Betreuung vor und stellt ausdrücklich auf die Belange des Kindes und die Möglichkeit der Kinderbetreuung ab.
Ab Beginn des 4. Lebensjahres des Kindes hat dafür eine Einzelfallprüfung zu erfolgen, ob und ggf, in welchem Umfang vom geschiedenen Ehegatten neben der Kinderbetreuung eine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann.
Zwar kann die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit grundsätzlich erwartet werden, wenn und soweit das Kind keiner ständigen persönlichen Betreuung mehr bedarf und die Kinderbetreuung während der Abwesenheit aufgrund der Erwerbstätigkeit durch die Inanspruchnahme Dritter gewährleistet ist. Durch die Neufassung nach der Unterhaltsrechtsänderung ("für mindestens drei Jahre") wird der geschiedene Ehegatte jedoch nicht verpflichtet, ab dem dritten Lebensjahr einer (Vollzeit-)Erwerbstätigkeit nachzugehen. Im Interesse des Kindeswohls ist vielmehr auch künftig ein stufenweiser Übergang in die Vollerwerbstätigkeit möglich.
§ 1570 Abs. 2 BGB lässt eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs aus elternbezogenen Gründen zu. Die Verlängerung besteht unabhängig vom Wohl des Kindes und rechtfertigt sich aus der nachehelichen Solidarität.
2. § 1571 BGB: Unterhalt wegen Alters
Der Begriff "Alter" ist gesetzlich nicht geregelt. Grundsätzlich besteht die Erwerbspflicht bis zur Rentenaltersgrenze. Erst wenn die festgelegte allgemeine Altersgrenze erreicht ist, kann auch unterhaltsrechtlich keine Erwerbstätigkeit mehr erwartet werden. Fortgeschrittenes Alter allein rechtfertigt keine Reduzierung einer bisher ausgeübten Tätigkeit.
3. § 1572 BGB: Unterhalt
wegen Krankheit der Gebrechen
Die Vorschrift ist Ausdruck der nachehelichen Verantwortung für krankheitsbedingte Erwerbseinschränkungen. Der Begriff Krankheit wird als objektiv fassbarer regelwidriger Zustand umschrieben.
Auch Alkohol- und Drogensucht können eine Krankheit im Sinne des § 1572 BGB darstellen sowie Übergewicht.
Bei allen Erscheinungsformen einer Krankheit trifft den Unterhaltsbedürftigen eine Obliegenheit zur Behandlung, unter Umständen auch durch eine Operation, und zur Mitwirkung an einer Therapie. So begründet zum Beispiel der Abbruch einer Entzugstherapie bei Einsichtsfähigkeit in die eigene Krankheit und deren Auswirkungen die Vorwerfbarkeit im Sinne des Unterhaltsrechts. Für die Zumutbarkeit einer Krankheitsbehandlung muss sie relativ gefahrlos, schmerzarm und aussichtsreich sein.
4. § 1573 I BGB: Unterhalt
wegen Erwerbslosigkeit
Der Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit soll den Unterhaltsberechtigten nach der Scheidung bis zur Erlangung einer Erwerbstätigkeit vor dem "sozialen Abstieg" bewahren. Für den Unterhaltsanspruch muss
der Bedürftige im Zeitpunkt der Scheidung nicht oder nur teilweise in angemessener Weise erwerbstätig gewesen sein. Der Einsatzzeitpunkt ist weniger eng an die Scheidung gebunden als nach
§§ 1572 und 1572 BGB, ein zeitlicher Zusammenhang mit der Scheidung muss aber noch gegeben sein.
Es kommt nicht darauf an, ob der Bedürftige gerade wegen der Ehe keiner Erwerbstätigkeit nachging.
Der Unterhaltsberechtigte hat die Pflicht zur Arbeitssuche. Hierfür muss er sich ernstlich und nachhaltig bemühen, seinen Unterhaltsbedarf zu decken. Eine Meldung bei der Bundesagentur für Arbeit zum Zweck der Arbeitsvermittlung ist dafür erforderlich, aber allein nicht ausreichend, weil nicht alle Arbeitsstellen über die Agentur vermittelt werden. Der Bedürftige muss sich vielmehr auch sonst auf dem Arbeitsmarkt intensiv um eine Anstellung bemühen, z.B. durch bewerbungen, Vorsprache bei möglichen Arbeitgebern und Aufgabe von Stellengesuchen.
5. § 1573 Abs. 2 BGB: Aufstockungsunterhalt
Der Aufstockungsunterhalt betrifft Doppelverdienerehen. Zweck ist die Erhaltung des gewohnten Lebensstandards des geringer verdienenden Ehegatten. Der Anspruch besteht auch, wenn die Voraussetzungen bereits zur Zeit der Scheidung vorgelegen haben, er aber erst später geltend gemacht wird.
Voraussetzung für den Aufstockungsunterhalt ist, dass der Unterhalt begehrende Gatte eine angemessene Tätigkeit ausüben muss, es besteht also kein Erwerbshindernis.
Weiterhin muss ein Einkommensgefälle bestehen. Gringfügige Einkommensdifferenzen sind nicht auszugleichen. Ein Aufstockungsunterhalt wird in der Regel nur in Betracht kommen, wenn er 10% des bereinigten Nettoeinkommes des Bedürftigen übersteigt.
Das für den Aufstockungsunterhaltsanspruch bestimmende Maß des vollen Unterhalts richtet sich gem. § 1578 Abs. 1 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen. In Fällen der Doppelverdienerehe werden die ehelichen Lebensverhältnisse in der Regel vom gemeinsamen Einkommen bestimmt.
6. § 1575 BGB: Unterhalt wegen Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung
Der Ausbildungsunterhalt dient dem Ausgleich ehebedingter Ausbildungsnachteile, indem die Voraussetzungen zur Erlangung der wirtschaftlichen Selbständigkeit geschaffen werden. Ehebedingte Ausbildungsnachteile sind entstanden, wenn eine Schul- oder Berufsausbildung in unmittelbaren Zusammenhang mit der Eheschließung oder in der Ehe abgebrochen wurde, z.B. wegen der Geburt eines Kindes oder wegen eines Ortswechsels.
Der bedürftige Ehegatte hat die Wahl, ob er die abgebrochene Ausbildung fortsetzt oder eine neue Ausbildung beginnt.
Der Unterhaltsanspruch besteht längstens für die Zeit, in der eine solche Ausbildung in der Regel abgeschlossen wird.
Die Höhe des Ausbildungsunterhalts richtet sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 BGB) einschließlich des ausbildungsbedigten Mehrbedarfs.
7. § 1576: Unterhalt aus Billigkeitsgründen
§ 1576 BGB ist als sogenannte positive Billigkeitsklausel ausgestaltet und dient als Auffangvorschrift zur Vermeidung von Härten, die sich aus der enumerativen Aufzählung der Unterhaltstatbestände in §§ 1570 - 1575 BGB ergibt. Eine Unterverhaltsversagung wäre grob unbillig im Sinne des § 1567 BGB, wenn sie dem Gerechtigkeitsempfinden in nahezu unerträglicher Weise widerspricht.