Simone Fischer Rechtsanwältin
Simone FischerRechtsanwältin

Das Wechselmodell

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat Anfang 2017 wohl eine aufsehenerregende Entscheidung getroffen: auch gegen den Willen eines Elternteils kann durch eine gerichtliche Umgangsregelung ein Wechselmodel angeordnet werden.

 

Was ist das Wechselmodell?

 

Das Gesetz gibt nicht vor, wie die Ausgestaltung einer gerichtlichen Umgangsregelung auszusehen hat. Vielmehr ist eine dem Kindeswohl entsprechende Regelung nicht begrenzt (auch nicht auf die in der Praxis gebräuchlichen zweiwöchentlichen Wochenendumgänge). Das sogenannte "Residenzmodell", bei dem das Kind (oder die Kinder) den Lebensmittelpunkt oder den gewöhnlichen Aufenthalt bei einem Elternteil hat (haben), ist die überwiegend praktizierte Regelung. Derjenige Elternteil, bei dem das Kind sich nicht gewöhnlich aufhält, hat dann ein Umgangsrecht.

 

Das Wechselmodell (auch Doppelresidenzmodell) ist nun ein Umgangsmodell, bei dem die Eltern das Kind paritätisch betreuen, also gleichberechtigt. Mutter und Vater betreuen das Kind also zeitlich etwa gleichviel. Häufig lebt das Kind dann im wöchentlichen Wechsel bei einem Elternteil, dann beim anderen. 

 

Rechtsprechung bis zum BGH-Urteil

 

Ein Vater wollte nun gegen den Willen der Kindesmutter eine gleiche Aufteilung der Betreuung des gemeinsamen Kindes. Nach herrschender Rechtsprechung der Familiengerichte war die Anordnung eines Wechselmodells nur dann möglich, wenn beide Elternteile zugestimmt haben. Daher lehnten die unteren Instanzen den Antrag des Kindesvaters ab, da die Kindesmutter ein Wechselmodell ablehnte.

 

Die Bedeutung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs

 

Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass die Ablehnung des Wechselmodells durch einen Elternteil eine Regelung in diesem Sinne nicht mehr ausschließt. Ein Konsens muss zwischen den Eltern für eine entsprechende Anordnung nicht bestehen. Ein Elternteil kann also nicht allein durch seine Ablehnung ein Wechselmodell verhindern. Es besteht somit kein Vetorecht aufgrund des entgegenstehenden Willens eines Elternteils.

 

Damit hat der BGH aber kein Wechselmodell angeordnet. Es ist aufgrund der Entscheidung des BGH die Anordnung des Wechselmodells auch ohne Zustimmung des anderen Elternteils lediglich möglich. Die Entscheidung des BGH betont, dass die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung eine bestehende Kommunikation- und Kooperationsfähigkeit der Eltern voraussetze. Dies wird einer Umsetzung und Anordnung des Wechselmodells regelmäßig entgegenstehen. Die Rechtsprechung wird sich also auch in Zukunft mit der Anordnung eines Wechselmodell eher schwer tun. Dennoch ist die Entscheidung des BGH ein Schritt in die richtigte Richtung und eröffnet eine am Kindeswohl orientierte flexiblere Gestaltungsmöglickeit von Umgangsregelungen.

 

Viele andere europäische Länder haben einen Paradigmenwechsel schon vollzogen und das mit guten Erfahrungen. In Skandinavien ist das Wechselmodell der Regelfall und nicht die Ausnahme.

 

Die gesamte BGH-Entscheidung ist hier nachzulesen.

 

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