Simone Fischer Rechtsanwältin
Simone FischerRechtsanwältin

Fahrerlaubnisentziehung bei passivem Cannabiskonsum?

Die Verwaltungsgerichte versuchen im Rahmen des Fahrerlaubnisrechts rigoros Rauschfahrten zu sanktionieren. Einmal festgestellte THC-Werte im Blut eines Betroffenen lassen die Gerichte sich nicht gern anders als durch aktiven Cannabiskonsum erklären.

Es besteht aber durchaus die Möglichkeit, dass THC-Werte im Blut durch Passiv-Rauchen von Cannabis zustande kommen.

Gerne werden von der Rechtsprechung wissenschaftliche Untersuchungen angeführt, die dann nahelegen sollen, dass im Fahrerlaubnisverfahren festgestellte Blutwerte nicht mit einem Passivkonsum zu erklären sind. In einem solchen Fall sollte man sich grundsätzlich die Mühe machen, mal genauer hinzuschauen und die herangezogen Untersuchungen kritisch zu hinterfragen.

 

So hat das Verwaltungsgericht Ausgburg in seinem Beschluss vom 08.05.2015 ausgeführt:

"Nach wissenschaftlichen Untersuchungen - vgl. zum Stand der Forschung: Schimmel/Drobnik/Röhrich/Becker/Zörntlein/ Urban, Passive Cannabisexposition unter realistischen Bedingungen, Untersuchungen in einem Coffee- Shop, Blutalkohol 47 (2010), 269 - können durch Passivrauchen unter realistischen Umständen allenfalls geringe THC-COOH-Werte erreicht werden. Soweit einzelne Untersuchungen zu höheren Werten gelangt sind, war dies wesentlich auf einen außergewöhnlich beengten Aufenthalt in einem unbelüfteten Raum zurückzuführen. Bei einer Untersuchung unter üblichen Raumverhältnissen wurde durch passive Cannabisaufnahme eine Konzentration von THC-COOH im Blut von höchstens 2 ng/ml sechs Stunden nach Expositionsbeginn erreicht. Diese Werte hat die Antragstellerin deutlich überschritten".

 

Ersteinmal interessant. Wendet ma sich jedoch den genannten Untersuchungen zu, fällt Folgendes auf:

- es gibt durchaus wissenschaftliche Untersuchungen, bei denen beim passiven Rauchen von Cannabis der Nachweis von teilweise erheblicher THC-Plasmakonzentration gelang. Diese sind nach Auffassung des Gerichts jedoch aufgrund von extremen Bedingungen, wie enge Räume und schlechte Belüftung, zustande gekommen.

- Nach wissenschaftlichen Untersuchungen unter "üblichen" Raumverhältnissen wurde durch passive Cannabisaufnahme eine Konzentration von THC-COOH im Blut von höchstens 2 ng/ml sechs Stunden nach Expositionsbeginn erreicht.

 

Betrachtet man nun, was unter "üblichen" Raumverhältnissen zu verstehen ist, zeigt sich das der vorgenannte wissenschaftliche Versuch in einem gut belüfteten Raum mit einem Raumvolumen von 200 m³ stattfand.

 

Nun ist aber doch so, dass durchaus in kleineren Räumen Cannabis konsumiert wird, ob zu Hause mit Freunden oder auf privaten Partys zu Hause oder wo sonst noch. Dabei sitzt man doch nicht im Räumlichkeiten von 70-80 m² und reicht einen Joint rum?!?

 

Diese Verhältnisse, unter dem der Passivkonsum von Cannabis sattfand, sind natürlich dem Gericht darzulegen und so vorzutragen, dass sie mit den festgestellten THC-Werten im Blut in Einklag stehen. Das muss am Ende selbstverständlich alles passen. Dies wurde im vorgenannten verwaltungsgerichtlichem Verfahren  verpasst. Dementsprechend führte das Gericht aus:

 

"Die Antragstellerseite hat auch keinerlei substantiierte Ausführungen gemacht, die ihre Behauptung, dass die in der Blutprobe vom 7. Mai 2014 gemessenen Werte allein auf Passivrauchen zurückzuführen sind, stützen könnten. Insbesondere fehlen jegliche Angaben dazu, in welchem Zeitraum vor der Drogenfahrt vom 7. Mai 2014 sich die Antragstellerin als Passivraucherin in einem mit (Cannabis-) Rauch gefüllten Raum aufgehalten hat. Es wurden auch weder Angaben dazu gemacht, wo der Passivkonsum stattgefunden haben soll bzw. wie der Raum beschaffen war (Größe, Belüftung des Raums). Noch wurde dargelegt, wie viele Personen in diesem Raum über welchen Zeitraum hinweg Cannabis konsumierten. Die aus dem Schreiben der ... vom 28. November 2014 übernommene Aussage, dass im Haushalt der Antragstellerin (abgeleitet vom Fund von 40 bis 50 g Marihuana) ein häufiger Cannabiskonsum stattfindet und dass ein darauf beruhender häufiger und intensiver Passivkonsum (durch die Antragstellerin als Haushaltsmitglied) zu einem positiven Nachweis von Cannabis in Blut und Urin führen kann, ist zu vage und stellt daher keinen ernsthaften Anhaltspunkt dafür dar, dass die in der Blutprobe vom 7. Mai 2014 festgestellte – erhebliche - Konzentration des aktiven Wirkstoffes THC (4,1 ng/ml) sowie der Wert von THC-COOH mit 17,9 ng/ml allein auf einem Passivkonsum beruhen könnte."

 

Aber selbst wenn ein glaubhafter Vortrag hinsichtlich des Passivkonsum gelingt, verlangt die Rechtsprechung zudem noch eine unwissentliche oder unwillentliche Aufnahme von Cannabis. Also muss auch dies noch plausibel und nachvollziehbar vorgetragen werden. Dazu führt das Verwaltungsgericht Augsburg aus:

 

"Die rechtliche Erwägung, das bloße Passivrauchen von Cannabis sei im Hinblick auf das Zusatzelement des unzureichenden Trennungsvermögens anders zu bewerten als der aktive Konsum dieses Betäubungsmittels, beruht auf der Überlegung, dass bei einem lediglich passiven Cannabiskonsum dieser dem Betroffenen weniger angelastet werden kann, weil er sich der oralen oder inhalativen Aufnahme der psychoaktiv wirkenden Substanz Tetrahydrocannabinol unter Umständen nicht bewusst war. Diesem Fahrerlaubnisinhaber kann nicht ohne weiteres vorgehalten werden, er sei in charakterlich-sittlicher Hinsicht zum Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr ungeeignet, weil er in Kenntnis des Cannabiskonsums und der dadurch bedingten Möglichkeit der Beeinträchtigung seiner fahreignungsrelevanten Eigenschaften und der erheblichen Gefährdung hochrangiger Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt und damit das vorrangige öffentliche Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs den eigenen Interessen untergeordnet habe."

 

Wer also das Risiko von Autofahrten unter THC-Einfluss wissentlich in Kauf nimmt, nachdem er auf einer Party war, auf der gekifft wurde oder weil er in einer WG lebt, deren Bewohner gerne mal intensiver zum Joint greifen, verliert seine Fahrerlaubnis.

 

Daran zeigt sich wieder einmal mehr, dass man mit Einlassungen gegenüber den Behörden und Gerichten, mit denen man sich zu entlasten glaubt, sich geradewegs "um den Führerschein redet".

Aussagen wie "Ich habe noch nie gekifft, das machen nur meine Mitbewohner immer in der Gemeinschaftsküche", mit denen jeder glaubt, er würde sich entlasten, führen zum Gegenteil. Erst mit einem glaubhaften, plausiblen und sinnvollen Gesamtvortrag, unter Beachtung von Blutwerten und Kenntnis der Rechtsprechung, besteht häufig noch die Möglichkeit, die von der Fahrerlaubnisbehörde angeordnete Fahrerlaubnisenziehung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu kippen.

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Kommentare

  • Katja (Freitag, 15. April 2016 13:12)

    Hallo,
    also das kann ich kaum glauben: wenn ich mit Kiffern zusammensitze ohne selbst zu rauchen, können die mir den Führerschein wegnehmen?! Ich weiß dann doch überhaupt nicht, ob ich noch fahren darf
    oder
    nicht. Mein Freund raucht täglich und lebt bei mir. Muss ich ihm das Kiffen bei mir verbieten, um sicher zu gehen? Meinen Führerschein brauche ich täglich!

  • Rechtsanwältin Fischer (Freitag, 15. April 2016 13:20)

    Hallo Katja,
    es gibt keinen Grund zur Panik, wenn ein paar Regeln beachtet werden. So leicht werden beim Passivrauchen nicht Grenzwerte erreicht, die eine Fahrerlaubnisentziehung rechtfertigen. Aber Sie sollten
    natürlich auch nicht mit Ihrem Freund und am besten noch drei seiner auch kiffenden Freunde den ganzen Abend zusammen sitzen, während um Sie herum Rauchschwaden wabern. Lüften sie die Räume gut, wenn
    geraucht wird, so dass keine Rauchwolken in der Luft hängen. Setzen Sie sich nicht direkt dem ausgeatmeten Rauch nach der Inhalation aus, vielleicht kann Ihr Freund sein Tütchen ja auch mal nebenan
    rauchen. Dann kann auch nichts passieren.

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