Simone Fischer Rechtsanwältin
Simone FischerRechtsanwältin

Was ist eine Patientenverfügung?  Brauche ich  überhaupt eine Patientenverfügung? Wozu dient sie mir?

Was ist eine Patientenverfügung?

 

Sie können für den Fall Ihrer Entscheidungsunfähigkeit im Voraus schriftlich festlegen, ob und inwieweit Sie in zukünftigen Phasen Ihres Lebens ärztlich behandelt werden möchten. Ihren diesbezüglichen Willen können Sie in einer sogenanngten Patientenverfügung festlegen. Diese bietet Ihnen die Möglichkeit auch auf spätere ärztliche Behandlungen Einfluss zu nehmen und über einen Zeitpunkt in Ihrem Leben selbst zu bestimmen, in dem sie nicht einwilligungsfähig sind, z.B. aufgrund eines Unfalls oder einer Erkrankung.

 

Brauche ich überhaupt eine Patientenverfügung? Wozu dient sie mir?

 

Natürlich ist niemand verpflichtet eine Patientenverfügung für sich abzufassen. Die Patientenverfügung stellt aber für jeden Menschen die Möglichkeit  zur Verfügung, ganz individuell selbst darüber zu bestimmen, welche Behandlung er bei welcher Krankheit zukünftig will oder nicht mehr will. Diese Möglichkeit ist Ausfluss des Grundrechts auf Selbstimmung.

 

Der Wille kann sich bei jedem Einzelnen sehr unterschiedlich darstellen. Der Eine möchte, dass alles medizinisch Mögliche bei Krankheit oder im Alter für ihn getan wird, der Andere will verhindern, dass alle therapeutischen Möglichkeiten aufgewandt werden, um auch nur jede kleinste Lebensverlängerung zu erreichen.

 

Häufig besteht die Furcht, dass alles medizinisch-technisch Machbare aufgeboten wird und ein würdevolles Sterben dadurch verhindert wird. Leider liegt es auch so, dass die Einstellungen und Bedürfnisse eines Sterbenden und ärztliche Ethik oft weit auseinanderliegen: die ärztliche Grundvorstellung sieht vor, alles zu unternehmen, das Leben solange wie möglich zu erhalten während ein todkranker Mensch in Ruhe sterben möchte und unnötiges Leiden vermeiden will.

 

So gehören für Ärzte in Kliniken Entscheidungen über Therapiebegrenzungen bei todkranken Patienten zum ganz normalen Alltag. Jedoch wird eine künstliche Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr auch in der Sterbephase eines Patienten genutzt. Daher werden selbst bei terminal Kranken oft noch Magensonden gelegt – einen erheblichen Teil der jährlich rund 140.000 Sonden erhalten Demenzkranke.

 

Dabei wird die künstliche Ernährung am Lebensende von Palliativmediziner kritisch gesehen. Es können in der letzten Lebensphase „normale“ Nahrungsmengen gar nicht mehr verarbeitet werden, es reichen vielmehr kleinere Mengen Nahrung und Flüssigkeit aus. In der „Ärzte Zeitung online“ geht ein Artikel speziell auf künstliche Ernährung in Bezug auf Demenzerkrankte in der Endphase ihres Lebens ein. Dort heißt es:

"Studien zeigen keine Hinweise auf eine Lebensverlängerung, eine Verbesserung des Ernährungsstatus, der Lebensqualität oder der Wundheilung. Dem stehen Nebenwirkungen der PEG (also der künstlichen Ernährung über eine Magensonde) wie Entzündungen, Verlust der Freude am Essen und eine Verringerung der pflegerischen Zuwendung gegenüber. Dennoch sei die künstliche Ernährung inzwischen fast Standard bei schwer Demenzkranken, auch wenn sie das Leben nicht nennenswert verlängere.“

 

Im gleichen Artikel der „Ärzte Zeitung online“ wird eine Befragung von Ärzten in Kliniken über Therapiebegrenzungen wiedergegeben. Darin heißt es:

„In Umfragen gibt knapp die Hälfte der Klinikärzte zu, dass sie sich in solchen Fragen sehr unsicher fühlen – selbst neurologische Chefärzte sind davon nicht ausgenommen: 60 Prozent gaben an, Angst vor den Rechtsfolgen beim Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen zu haben“.

 

Wie auch immer eine Entscheidung für das eigene Lebensende ausfällt - ob man mithilfe von Therapiemaßnahmen so lange wie möglich am Leben erhalten bleiben möchte oder seinem Sterben seinen natürlich Gang lassen will - ausschlaggebend sollte sein, dass nur Sie selbst die Entscheidung treffen.

 

Gerade im letzteren Fall ist die Patientenverfügung wichtig: sie hebt den Widerspruch zwischen der Verpflichtung des Arztes zur Lebensrettung und dem Recht des Patienten über sein Leben und Sterben zu entscheiden, auf.

 

Wenn Sie das Thema betrifft, erfahren Sie auf den folgenden Seiten zu Einzelheiten der Patientenverfügung mehr:

 

Was sind die Voraussetzungen der Patientenverfügung?

Was muss alles in einer Patientenverfügung stehen?

 

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Kommentare

  • Kalle (Montag, 20. Januar 2020 19:13)

    Hallo,
    ich bin schon seit längerem interessiert an dem Thema Patientenverfügung. Ich frage mich, was passiert, wenn ich keine Patientenverfügung habe und dann habe ich einen Schlaganfall und falle ins Koma. Was machen die Ärzte dann mit mir? Die kennen mich doch gar nicht. Halten Sie mich in jedem Fall solange wie es geht am Leben, auch wenn ich nicht mehr aufwachen kann? Das will auf jeden Fall verhindern, das ist für mich eine Horrorvorstellung!

  • Rechtsanwältin S. Fischer (Montag, 20. Januar 2020 19:38)

    Guten Abend,
    Ihre Frage vom heutigen Abend beantworte ich gern wie folgt:
    sollten Sie keine Patientenverfügung erstellt haben und dann aufgrund von Krankheit oder aufgrund eines Unfalles in die Situation kommen, nicht mehr einwilligungsfähig sein, muss der Betreuer oder, wenn Sie jemanden bevollmächtigt haben, der Bevollmächtigte darüber entscheiden, ob Sie lebensverlängernde Maßnahmen gewünscht oder abgelehnt hätten. Ohne eine Patientenverfügung muss Ihr mutmaßlicher Wille aufgrund konkreter Anhaltspunkte ermittelt werden. Dabei werden schriftliche und mündliche Aussagen in der Vergangenheit, ethische oder religiöse Überzeugungen und persönliche Wertvorstellungen des Patienten berücksichtigt (§ 1901a Abs. 2 Satz 3 BGB). Außerdem sollen sich – soweit erreichbar – die Angehörigen zu diesen Fragen äußern und Stellung beziehen können (§ 1901b Abs. 2 BGB). Kann der mutmaßliche Wille aber unter keinen Umständen ermittelt werden, gilt im Zweifel, dass der Patient sich für das Leben entschieden hätte (in dubio pro vita). Im Zweifel ist die medizinisch indizierte Maßnahme also auf die Erhaltung des Lebens zu richten. Das heißt aber nicht, Leben um jeden Preis.
    Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen konnte.
    Viele Grüße
    S. Fischer

  • Frank (Montag, 20. Januar 2020 20:05)

    Guten Abend Frau Fischer,
    heißt das ohne Patientenverfügung entscheiden die Angehörigen über Behandlungen?
    Grüße von Frank

  • Rechtsanwältin S. Fischer (Montag, 20. Januar 2020 20:38)

    Hallo Frank,
    wichtig ist, dass die Angehörigen nicht automatisch Vertreter des Patienten sind und diesen daher auch nicht vertreten können. Daran ändert auch eine Patientenverfügung nichts! Für eine wirksame Vertretung muss eine (Vorsorge-)vollmacht erstellt werden. Die Patientenverfügung regelt also, ob und inwieweit Sie eine Behandlung wünschen und richtet sich an Ärzte. Wollen Sie dann, dass bestimmte Angehörige oder sonstige Personen Entscheidungen für Sie treffen dürfen oder dafür sorgen sollen, dass Ihrem Willen, z.B. aus der Patientenverfügung, entsprochen wird, benötigen Sie eine Vorsorgevollmacht.
    Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen konnte.
    Viele Grüße
    S. Fischer

  • Kalle (Freitag, 07. August 2020 17:05)

    Hallo zusammen,
    mich würde interessieren, ob die Stadardformulierungen im Internet ausreichen für ein PV. Da werden Behandlungen abgelehnt, wenn man im Sterbeprozess ist.
    Vielen Dank und Grüße

  • Rechtsanwältin Fischer (Freitag, 07. August 2020 17:22)

    Hallo Kalle, da liegt meines Erachtens ein großes Problem bei den Patientenverfügungen. Zum einen sind sie im Rahmen der Standardformulierung für den Arzt nicht brauchbar und im juristischen Sinne häufig nicht wirksam. Wie soll ein Arzt Ihre Wertevorstellungen in Bezug auf Leben und Sterben, Ihre Wünsche in Bezug auf Behandlungen am Lebensende erfahren. Dies kann er nicht, wenn Sie vorgefertigte Formulierungen verwenden. Dies liest der Arzt völlig gleichartig in allen Patientenverfügungen und weiß natürlich, dass diese nicht ursprünglich von Ihnen stammen. Eine Handlungsanweisung ergibt sich für den Arzt daraus kaum. Zudem handelt es sich bei den Standardformulierungen um bestimmte Krankheitssituation und darauf bezogene Behandlungen, die sich nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft und Medizin ständig ändern. Dies ist natürlich wichtig und sollte in jeder Patientenverfügung enthalten sein. Viel hilfreicher ist es aber, zusätzlich Ihr ganz individuelles Maß an Lebensqualität zubeschreiben, bei dem Sie (noch) leben oder eben sterben möchten. Erst Ihre Wertvorstellungen, Ihre Einstellung zum Leben und zum Tod usw. macht eine Patientenverfügung konkret und individuell.
    Viele Grüße
    Simone Fischer

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