Simone Fischer Rechtsanwältin
Simone FischerRechtsanwältin

Umgangsboykott - was nun?

Eines der schwierigsten Themen in meiner Praxis im Bereich des Umgangsrechts ist der Umgangsboykott: der betreuende Elternteil verweigert dem umgangsberechtigten Elternteil den Umgang mit seinem Kind oder seinen Kindern. Der verweigerte oder erschwerte Umgang mit dem gemeinsamen Kind ist immer wieder heftig umkämpfter Schauplatz am Rande einer Trennung oder  Scheidung. 

 

Nach einer Trennung der Eltern betreut üblicherweise ein Elternteil die Kinder. Bei diesem Elternteil haben die Kinder dann ihren Lebensmittelpunkt, während der andere Elternteil Umgangskontakte mit seinen Kindern hat.

Es gibt natürlich auch das sogenannte Wechselmodell, bei dem die Eltern sich die Betreuung der Kinder hälftig teilen. Das gilt aber nur innerhalb einer einverständlichen und einvernehmlichen Einigung der Eltern, so dass in dieser Konstellation ein Umgangsboykott nicht in Frage kommt.

 

Boykottiert nun ein Elternteil den Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil, geschieht dies häufig aus Gründen, die nicht dem Kindeswohl entsprechen und es widerspricht häufig auch dem Wunsch des Kindes mit dem anderen Elternteil Kontakt zu haben.

Natürlich gibt es auch zahlreiche tatsächliche Gründe, den Umgang auszuschließen: im Falle von sexuellem Missbrauch, Entführungsgefahr, aggressiver Persönlichkeitsstörung, Gewaltanwendung des Umgangsberechtigten kann ein solcher Umgangsausschluss erforderlich sein oder werden.

Leider liegen einem Umgangsboykott aber oft andere Ursachen zugrunde: ein Elternteil fühlt sich noch aus der gemeinsamen Beziehungszeit verletzt, wurde betrogen oder verlassen und "bestraft" nun den ehemaligen Partner mit der Verweigerung von Besuchskontakten mit den gemeinsamen Kindern. Meist sind dann beide Elternteile heillos miteinander zerstritten.

 

Hierunter leiden am meisten die Kinder. Nicht nur, dass sie eine wichtige Bezugsperson in ihrem Leben verlieren. Die Belastung für das Kind und die Gefährdung einer negativen Entwicklung ist enorm. Bei streitenden Eltern können Kinder in einen sogenannten Loyalitätskonflikt geraten. Loyalitätskonflikte entstehen, wenn ein ein Elternteil die Verbindung des Kindes zum anderen Elternteil nicht akzeptiert und das Kind nicht mehr die Freiheit hat, den anderen Elternteil (ebenfalls) lieben zu dürfen. Das Kind steht zwischen den elterlichen Fronten und gerät unweigerlich in ein nicht aufzulösendes Dilemma. So oder so wird das Kind darunter leiden:

Bildet es eine Allianz zu dem einem Elternteil und entfremdet es sich damit vom anderen Elternteil, geht eine wichtige Bezugsperson verloren. "Opfert" das Kind nicht die Beziehung zu einem Elternteil, bleibt es im Loyaliltätskonflikt gefangen. Je jünger das Kind ist, umso schwieriger fällt es ihm, gleichzeitig mit beiden Elternteilen in liebevoller Verbindung zu bleiben. Sie sind daher bei streitenden Eltern schnell überfordert.

Kinder versuchen oft dieser Überforderung auszuweichen und es kommt bei ihnen zum sogenannten "Besuchsrechtssyndrom": Steht ein Wechsel, also ein Besuch, zum anderen Elternteil an, der das Kind belastet, klagt es regelmäßig über Bauch- oder Kopfschmerzen oder anderen Beschwerden. So weicht es der belastenden Situation aus (und führt zu der Fehlinterpretation der Eltern, dass es dem Kind beim jeweils anderen Elternteil nicht gut geht, was die Situation unweigerlich verschärft).

 

In einer Situation des Umgangsboykotts seitens eines Elternteils den Umgang durchzusetzen ist häufig schwierig und langwierig.

 

Zunächst muss eine gerichtliche Entscheidung des Gerichts bezüglich des Umgangsrechts beantragt werden. Es wird also ein "ganz normales" Umgangsverfahren eingeleitet, an dessen Ende ein Umgang durch gerichtlichen Beschluss gereglt wird. Möglich und vor allem wünschenswert ist auch, dass die Eltern sich im Umgangsverfahren auf eine Umgangsregelung einvernehmlich einigen, die das Gericht billigt. Meiner Erfahrung nach ist eine Einigung zwischen den Eltern tragfähiger als ein durch das Gericht geregelter Umgang und eine auf Einigung beruhende Umgangsregelung wird häufiger von den Eltern wie vereinbart umgesetzt.

 

Wenn nun trotz einer gerichtlichen Umgangsentscheidung oder einer gerichtlich geneghmigten einvernehmlichen Elternvereinbarung ein Elternteil den Umgang boykottiert, ist der Umgangs durchzusetzen.

 

Eine erste Möglichkeit ist die Beantragung eines Vermittlungsverfahrens beim Familiengericht. Es handelt sich dabei um ein gerichtliches Güteverfahren, das eine einvernehmliche Konfliktlösung mit Hilfe des Gerichts ermöglichen soll. 

 

Eine weitere Möglichkeit ist die Beantragung einer Umgangspflegschaft beim Familiengericht. Wenn der Umgang des Kindes mit einem Elternteil nicht stattfindet, weil eine gerichtlich angeordnete Umgangsregelung oder eine Umgangsvereinbarung durch den anderen Elternteil unterlaufen wird, ist die Einrichtung einer Umgangspflegschaft sinnvoll. Das Gericht kann also bei dauerhafter und wiederholter Verletzung der Wohlverhaltenspflicht eine Pflegschaft für die Durchführung des Umgangs anordnen. Nach der Wohlverhaltensklausel des § 1684 Abs. 2 BGB haben Eltern wechselseitig alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Die Eltern werden hierdurch zu wechselseitigem loyalen Verhalten im Rahmen der Ausübung des Umgangsrechts verpflichtet. Danach hat der Personensorgeberechtigte, also der Elternteil, bei dem das Kind lebt, auch die Pflicht, eine aktive Gestaltung der Umgangskontakte vorzunehmen.

Der Umgangspfleger oder die Umgangspflegerin ist dann befugt zu bestimmen, wie und wann der vom Gericht geregelte Umgang des Kindes mit dem umgangsberechtigten Elternteil durchgesetzt wird. Die Umgangspflegschaft umfasst auch das Recht, die Herausgabe des Kindes zur Durchführung des Umgangs zu verlangen und für die Dauer  des Umgangs dessen Aufenthalt zu bestimmen. Häufig ist der Umgangspfleger auch bei der Vorbereitung des Umgangs und diesbezüglichen Absprachen beteiligt und er ist, wenn nötig bei der Übergabe des Kindes an den umgangsberechtigten Elternteil sowie bei der Rückgabe anwesend, um den Umgang durchzusetzen.

 

Als letztes Mittel ist bei der Verletzung von Umgangsregelungen die Vollstreckung des Umgangs gemäß § 89 FamFG möglich: Ist es der betreuende Elternteil, der den Umgang boykottiert, kann das Gericht auf Antrag des anderen Elternteils Ordnungsmittel in Form von Ordnungsgeld bis zu 25.000 € und für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann oder die Anordnung von Ordnungsgeld keinen Erfolg verspricht, sogar Ordnungshaft anordnen. Das Vollstreckungsverfahren mit seinen massiven Eingriffen wird sehr zurückhaltend angewendet: Das Verhältnis zwischen den Beteiligten und eventuell auch zu dem Kind wird - wenn es nicht bereits völlig zerstört ist - weiter verschlechtert. Der erstrebte Erfolg tritt daher häufig nicht ein. Viele Familienrichter stehen dem Vollstreckungsverfahren daher mindestens skeptisch und eher offen ablehnend gegenüber. Zumindest geht aber von der Möglichkeit der Vollstreckung einer Umgangsentscheidung eine Signalwirkung aus, die das immerhin grundrechtlich garantierte Umgangsrecht zur Duchsetzung verhelfen kann.

 

Bevor ein Vollstreckungsverfahren beantragt wird, sollten vorher aber mildere Mittel ausgeschöpft worden sein. Ein Vermittlungsverfahren, eine Umgangspflegschaft, vorrangig auch - soweit noch möglich - Elternberatungsgespräche und Mediationsverfahren versprechen mehr Erfolg und entlasten vor allem das Kind.

Rechtsanwältin

Simone Fischer

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