Simone Fischer Rechtsanwältin
Simone FischerRechtsanwältin

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht

Gemäß § 1631 BGB ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht ein Teil des (Personen-)Sorgerechts. Es bezeichnet das Recht, den räumlichen Aufenthaltsort für das Kind zu bestimmen. Dies betrifft vor allem den dauerhaften gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes (bei wem und wo lebt das Kind), aber auch vorübergehende Aufenthalte des Kindes, zum Beispiel bei Reisen.

 

Haben die Eltern die gemeinsame Sorge, üben sie auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht gemeinsam aus. Auch bei einer Trennung besteht die gemeinsame Sorge fort. Meiner Erfahrung nach hält sich hartnäckig das Gerücht, dass bei einer Trennung der Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht inne hat, bei dem das Kind überwiegend lebt. Dies stimmt nicht. Lebt das Kind nach einer Trennung bei einem Elternteil, geschieht dies aufgrund einer Einigung der Eltern. Solange ein Gericht aufgrund eines Antrages nicht etwas anderes beschlossen hat, besteht die gemeinsame Sorge und damit das gemeinsame Aufenthaltsbestimmungsrecht fort.  

 

Häufig streiten Eltern dann bei einer Trennung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Die Eltern können sich zumeist während der ersten Trennungsauseinandersetzungen nicht darüber einigen, bei wem die Kinder zukünftig leben sollen. Dann muss zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf einen Elternteil übertragen werde. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht kann also vom übrigen Sorgerecht losgelöst werden, während die gemeinsame Sorge im Übrigen bestehen bleibt.

 

Stellen die Eltern oder ein Elternteil einen Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, muss das Familiengericht entscheiden. Bei seiner Entscheidung orientiert sich das Gericht ausschließlich am Kindeswohl. Was unter "Kindeswohl" zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht definiert. Die Rechtsprechung hat Kriterien herausgearbeitet, die für die Beurteilung des Kindeswohls herangezogen werden. Gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls sind danach: 

 

1. der Kontinuitätsgrundsatz, der auf die Einheitlichkeit, Gleichmäßigkeit und Stabilität der Erziehungsverhältnisse abstellt,

 

2. der Wille des Kindes, soweit er mit seinem Wohl vereinbar ist und das Kind nach Alter und Reife zu einer Willensbildung im natürlichen Sinne in der Lage ist,

 

3. die Bindung des Kindes an beide Elternteile und etwa vorhandene Geschwister sowie

 

4. der Förderungsgrundsatz, nämlich die Eignung, Bereitschaft und Möglichkeit der Eltern zur Übernahme der für das Kindeswohl maßgeblichen Erziehung und Betreuung.

 

Das Gericht muss also entscheiden, bei welchem Elternteil das Kind die meiste Kontinuität erfährt (zum Beispiel bisheriger Schulbesuch, soziale Kontakte mit Freunden, Besuch des Sportvereins kann aufrecht erhalten bleiben), wer das Kind am meisten in seiner Entwicklung fördert und zu welchem Elternteil das Kind die innigere Bindung hat. Der Wunsch des Kindes (Kindeswille) ist ebenfalls einzuholen und je nach Alter von unterschiedlicher Bedeutung: bei einem Kind von 12 Jahren ist aufgrund seiner geistigen Reife der Wille beachtlicher als bei einem noch sehr jungen Kind.

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